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Donnerstag, 20. Oktober 2011

Occupy the world! Und Österreich?


Weltweit beginnen sich die Proteste gegen die Banken, Finanzmafia und die neoliberale Politik zu formieren. Die Menschen gehen auf die Straße und tun ihren Unmut kund. Durch alle Länder scheint ein Ruck zu gehen. Durch alle? Nein! In einem kleinen Land mitten in Europa bleibt es völlig ruhig. Als ob nichts geschehen wäre. Keine Krise, kein Lohndumping, kein Sozialabbau. Wurde dieses Land verschont? Genießt es eine Sonderstellung inmitten dieser wirtschafts- & finanzdiktierten Welt? Mitnichten. Doch trotzdem rührt sich nichts. Alles bleibt stumm.
Die Rede ist von Österreich.

Die Menschen scheinen hierzulande der Lethargie verfallen. Alles ist normiert. Wieviel Wasser darf ich täglich trinken, wieviel Fleich essen und wie oft treiben es die Österreicher durchschnittlich miteinander. Selbst die Sprache ist normiert. Was ist korrekt, was darf man sagen? Wie lange muss ich warten bis ich über einen verstorbenen wieder lästern darf? Diesen Durchschnitts-Werten sollte man möglichst nahe sein, sonst gilt man als abnorm. Und das ist doch etwas Schreckliches, oder?

Am Besten beschreibt die Situation Sybille Berg im Spiegel. Sie schreibt zwar über Deutsche, doch wer sich hier als Österreicher nicht wiedererkennt, ist meines Achtens selber Schuld.

Willkommen in der kompletten Idiotie!

Weltweit gehen die Bürgerinnen und Bürger gegen den entfesselten Finanzkapitalismus auf die Straße. Womit dürfen wir in Deutschland rechnen? Werden hier Junge und Alte gemeinsam protestieren? Wohl kaum.

Ist das alles langweilig geworden. Da joggen Menschen durch urban verbaute Landschaften. Sie tragen Pulsmesser, essen Biologisches, rauchen nicht, trinken kaum, sie wählen konservativ grün oder schwarz, oder ist doch völlig egal, sie haben Angst. Es hat funktioniert. Der Bürger ist in den fünfziger Jahren gelandet, als hätte es nichts dazwischen gegeben. Keine Unruhen, keine Punks, kein Vergeuden der Jugend, es wird nichts mehr vergeudet, es werden Pläne erfüllt und Vorschriften eingehalten.
Alle sind zwanghaft politisch korrekt, sie zucken selbstkontrolliert zusammen, wenn sie auch nur etwas Verwegenes denken, fast möchten sie sich selber zur Anzeige bringen. Die Schlacht der grauen Mäuse ist geschlagen, gewonnen, versenkt alles was nach Überschwang klang, was verdächtig war. Die Bürger kontrollieren sich hervorragend, wer zu dünn ist oder zu dick, wer zu laut ist oder zu leise, wird ausgegrenzt, verachtet, nicht gegrüßt, angezeigt.
Willkommen in der kompletten Idiotie, in der Jugendliche sich nicht mehr besaufen dürfen. Wer wenn nicht sie, denen wir das Feld überlassen, wie nach einem Bombenangriff, hätte einen Rausch verdient? Doch sie sollen es nicht besser haben als wir, sie sollen sich nicht berauschen, nicht auffallen, Pläne müssen sie entwickeln, zu Leistungskursen gehen, zu Förderstunden, um eine tolle Chance in der untergehenden Welt zu haben.
Diese wahnsinnige Angst, vor der Armut, dem Terroristen, dem Verlust von Identität, die innere weiße Flagge immer gehisst. Ein guter Job und eine Eigentumswohnung, das ist das höchste Ziel, das es zu erreichen gilt, von mehr wagt keiner zu träumen, vom Saufen, Rauchen, Fressen, Ficken wagt keiner zu träumen, das könnte sich negativ auswirken auf den Lebenslauf. Die, die irgendwann mal in Kommunen lebten, demonstrieren jetzt gegen wehrlose Bahnhöfe, die anderen sind Ende 30 und spießiger, als ihre Eltern es je gewesen sind. Aber vielleicht hockt das in jedem Menschen, dieser Hang zu hassen, was auffällt, es mit der Schaufel erschlagen zu wollen und schnell noch eine Runde zu joggen, um all das, was wir uns nicht gestatten, zum Schweigen zu bringen.
Aber es schweigt nicht. Na, dann eben was ins Internet geschrieben, den Hass ausgekotzt, irgendwo, noch nicht einmal mit einer Spraydose. Es scheint, als habe sich die Bevölkerung der westlichen Welt in einem Kanon vereint, der ablehnt, was den Verstand trainieren könnte, der Geld als den einzigen Wert akzeptiert und schlechte Kunst, schlechte Bücher, schlechte Filme braucht, um sich besser zu fühlen, überlegen zu fühlen. Aber da ist nichts Überlegenes, da ist nur noch verbittertes Pflichterfüllen, jeden Bissen 36-mal kauen, gut einspeicheln, zehn Liter Wasser trinken und danach betroffen in den Fernseher schauen, irgendeine Hartz-IV-Doku wird da schon laufen.
Keiner reist mehr um die Welt, schmeißt seinen Job hin, lässt sich die Haare bis zum Bauch wachsen - außer Fundamentalisten. Vielleicht beneiden wir sie um ihre Ausschweifungen, um ihren Mut, irgendwas zu wollen außer einer verdammten Wohnung. Das System, das die meisten so verteidigten, weil es ihnen Freiheit versprach, und das klingt immer gut, auch wenn keiner sie wirklich mag, die Freiheit. Sie hat sich so sehr beschleunigt, dass die Bevölkerung der westlichen Welt sich an irgendetwas zu klammern sucht, um nicht ins All zu fliegen.
An etwas, das er zu beherrschen glaubt, der Mensch: sich selber. Und alles, was sich außerhalb davon befindet, außerhalb des aufgeräumten, gut trainierten Selbst, ist der Feind. Bloß nicht auffallen, nicht als Feind ausgemacht werden. Still, ganz still.
Quelle: spiegel.de

Dem ist nichts hinzuzufügen. Wenn ich etwas zu bekritteln hätte, dann nur, dass die Dame selbst augenscheinlich keine Fressorgien abhält.

Peter van Dorren

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